|
Woher kamen die Etrusker?Die Lösung dieses Rätsels fand sich auf der nordägäischen Insel Lemnos, die in den vergangenen Jahrzehnten ein beliebtes Reiseziel nicht nur für Urlauber, sondern auch für Archäologen geworden ist. Ausgrabungen erbringen immer neue Belege dafür, dass eine Siedlung beim heutigen Polióchni Zur Geschichte der Insel: Die Siedlung bei Polióchni wurde nach einer Naturkatastrophe um 2000 vor Chr. aufgegeben und nur noch sporadisch bewohnt. In mykenischer Zeit, also ca 1200 v. Chr., trug die Insel bereits den Namen, der in der Neuzeit als /limnos/ fortgesetzt wird: auf einem Täfelchen in Linear B werden Bewohnerinnen ra-ma-ni-ja genannt, woraus man die damalige Form des Inselnamens als /la:mnos/ erschliessen kann. Vielleicht war die Insel ethnisch zweigeteilt Wenig nördlich von Polióchni liegt das Dorf Kaminia, wo 1885, in eine Kirchenwand eingemauert, die sogenannte Stele von Lemnos entdeckt wurde. Die Stele wird allgemein auf eine Zeit (kurz) vor der attischen Eroberung der Insel datiert und befindet sich heute im Nationalmuseum in Athen. Sie zeigt einen Krieger mit Speer; ihre überragende wissenschaftliche und historische Bedeutung verdankt sie jedoch den beiden Inschriften in einer vor 1885 unbekannten Variante des griechischen Alphabets und einer bis dahin gleichfalls unbekannten Sprache, die den naheliegenden Namen Lemnisch erhielt. Erstmals hatte man hier ein Zeugnis zur Hand, das es bei Anwendung neuzeitlicher sprachwissenschaftlicher Methoden ermöglicht, die Spur der Etrusker in ihre ägäisch-kleinasiatische Heimat zurück zu verfolgen. Schon bei der Publikation der beiden Inschriften wurde eine Gemeinsamkeit zwischen Lemnisch und Etruskisch deutlich: die lemnische Schrift hat ebenso wie die etruskische nur vier Vokalzeichen (a, e, i, o; bei den Etruskern sind es a, e, i, u) aus dem griechischen Mutteralphabet ausgewählt. Es folgte eine Flut von Untersuchungen über das Lemnische, die allerdings wenig Substantielles und häufig unfreiwillig komische Übersetzungen des Textes zutage förderte. Nach gut einhundert Jahren Forschung gilt die sprachliche Verwandtschaft zwischen Lemnisch und Etruskisch heute jedoch Die Lautsysteme lassen sich zwar nicht völlig zur Deckung bringen, doch fällt ins Gewicht, dass neben der schon erwähnten Vierzahl der Vokale Parallelen beim Konsonanteninventar bestehen. Es gibt zwei s-Laute (hier s und sh geschrieben), keine Zeichen für die stimmhaften Verschlusslaute b, d, g; dafür stehen nebeneinander t und th (kein behauchter Laut wie im Griechischen, sondern eher wie tj gesprochen). Evidente Übereinstimmungen begegnen im Wortschatz zwischen etruskisch (ET, Ta 1.169:) avils machs shealchlsc (wörtlich:) "mit (=-s) Jahren mit vier und (=-c) mit sechzig", und lemnisch mav shialchveis avis (wörtlich:) "vier mit (=-s) sechzig mit Jahren". Die Einheitsübersetzung, "mit 64 Jahren", hängt natürlich davon ab, welche Werte man den etruskischen Zahlwörtern zuordnet. Angesichts des extrem kleinen Wortschatzes des Lemnischen muss man sich bei eventuellen Deutungen fast ganz auf das bisher im Etruskischen Entschlüsselte verlassen. Die Deutung von mav und mach stützt sich allerdings zusätzlich darauf, dass in der (indogermanischen) anatolischen Sprache Luvisch das Wort maua "vier" heisst. Aus der Grammatik lassen sich Konstruktionen vergleichen In neuerer Zeit hat der Tübinger Emeritus Carlo de Simone wieder die Idee aufgegriffen, dass die Insel Lemnos von Etruskern aus Italien im 9. oder 8. Jh. besiedelt wurde. Dafür gibt es keine archäologischen Beweise, und auch die Sprachen sind zu unterschiedlich, um als blosse Dialekte gelten zu können. Da weiterhin | |||||||||||
|
|